Traumatherapie und EMDR bei Kinder und Jugendlichen
Jeder macht im Laufe seines Lebens traumatische Erfahrungen. Einige erholen sich rasch, andere nicht. Die Auswirkungen können physich, psychisch oder auch eine Mischung von beidem sein. Trauma erschüttert: das Vertrauen in die Welt und in das Leben. Das Gefühl geborgen zu sein kommt abhanden; und Sinn im Leben zu finden, erscheint für viele nach einem traumatischen Erlebnis fast unmöglich. Die Wirkungen eines Traumas können unter Umständen auch lange nach dem eigentlichen Ereignis noch bleiben und unser Leben berühren.
Manchmal sind die Traumata, die ein Kind erlebt, leicht einzusehen, wie bei einer schweren Krankheit, Tod, Übergriffen bei Kindern oder einem Unfall: Ein Kleinstkind, das durch eine schwere Erkrankung seine Mutter verliert – ein Kindergartenkind, das von einem „guten Freund der Familie“ missbraucht wird – ein 8 jähriger Junge, der bei einem Fahrradunfall schwer verletzt wird.
Manchmal können sich Traumata so früh im Leben ereignet haben, dass man sich nicht an sie erinnert. Und manchmal verdrängt das Kind das Erlebte selbst, weil es im Augenblick noch nicht bereit ist, sich dem zu stellen. Heute wissen wir, dass Kinder schon vom ersten Lebensjahr an psychische Erkrankungen infolge von stressvollen Erfahrungen entwickeln können.
Wie wirken sich solche Ereignisse und Übergriffe bei Kindern aus? Welche Folgen haben sie?
Ein Kind kann plötzlich ein beunruhigendes Verhalten an den Tag legen, das vielleicht auf den ersten Blick mit keinem besonderen Ereignis in Zusammenhang zu stehen scheint. Es kann sein, dass es nicht viel spielt oder lacht. Es zeigt beispielsweise keine Gefühle mehr und ein vermindertes Interesse an zuvor bedeutsamen Dingen wird deutlich. Oder es kann sein, dass es übermäßig gehorsam ist und unfähig, sich zu wehren, wenn es schlecht behandelt wird; oder es ist reizbar und aggressiv. Übermäßige Wachsamkeit und Schreckhaftigkeit, Schlaf-, Konzentrations- und Gedächtnisschwierigkeiten können sich einstellen. Typische Reaktionen können auch anklammerndes Verhalten an die Eltern, Ängste und häufige Bauch- und Kopfschmerzen sein. Die Folgen richten sich u.a. nach dem Alter des Kindes und Art und Ausmaß des Traumas. Fast immer sind mit einem traumatischen Erlebnis Trauer, Wut, Scham und Schuldgefühle verbunden. Kinder brauchen Hilfe, damit sie die daraus erwachsenden Gefühle, die sie zu überwältigen drohen oder – wenn sie unterdrückt werden – indirekt Probleme verursachen, durcharbeiten können.
Wo setzt die Traumabehandlung an? Welche Ziele verfolgt sie?
Die Behandlung erfolgt ressourcenorientiert, d.h. das Kind wird zu seinen Stärken hingelenkt, die ihm spürbar gemacht werden. Neben den zentralen kindlichen Bedürfnissen nach Sicherheit, Trost und Schutz sollten dem Kind Erfahrungen von Kontrolle vermittelt werden. Denn um an unverarbeiteten traumatischen Inhalten arbeiten zu können, muss die Konfrontation vom Kind als kontrollierbar erlebt werden und so schonend wie möglich erfolgen. Es wird angestrebt, dass das Kind seine Fähigkeiten der emotionalen und verhaltensmäßigen Steuerung wiedererlangt. Damit verbunden ist, dass es das traumatische Ereignis in sein Selbstbild integrieren kann, d.h. in sein inneres Bild über sich, als dazugehörigen Teil, erleben kann.
Zur Behandlung von Traumafolgestörungen werden überwiegend methodenübergreifende Verfahren eingesetzt; es werden u.a. stabilisierende imaginative Verfahren, spielerisch-symbolische aber auch die EMDR-Methode angewandt.
EMDR (Eye Movement Desenzitisation and Reprocessing) „Desensibilisierung und Neuverarbeitung durch Augenbewegung“ ist eine relativ neue traumabearbeitende psychotherapeutische Technik. Sie ist besonders zur Behandlung von Traumafolgestörungen sowohl bei kleinen Kindern, Jugendlichen als auch Erwachsenen geeignet. Diese Technik nutzt das Wissen um die neuropsychologischen Vorgänge im Gehirn, die ein Trauma auslösen.
Bei der EMDR-Methode handelt es sich um eine strukturierte, schonende und stark unterstützende Methode. Durch abwechselnde Links-rechts-Stimulation – entweder durch Augenbewegungen, Berührungen der Hände (sensorische Stimulation) oder akustischer Signale – wird eine beschleunigte Informationsbearbeitung des Gehirns bewirkt. Durch die bewusste Aufmerksamkeitslenkung auf ein belastendes Ereignis stellt die Verarbeitung Kontakt zu den Gefühlen her, die zur Zeit des ursprünglichen Traumas vorherrschten, und löst sie auf. Die neurobiologischen Vorgänge, welche die EMDR-Methode so wirksam machen, werden zur Zeit noch intensiv erforscht. Es kann etwas mit der abwechselnden Links-rechts-Stimulation des Gehirns zu tun haben (wie in der REM-Schlafphase, bei dem die Augen sich schnell von einer Seite zur anderen bewegen). EMDR scheint dabei zu helfen, die bei der Verarbeitung durch das Gehirn bestehende Blockade zu lösen, so dass traumatische Erinnerungen zu „gewöhnlichen“ Erinnerungen werden können. Patienten schildern den EMDR-Prozess häufig als sich rasch verändernde Bilder, Körperempfindungen, Gefühle und Gedanken (ähnlich wie in einer Filmhandlung), in deren Verlauf die erlebte Belastung deutlich nachlässt. Es sind kindgerechte Techniken entwickelt worden, so das EMDR auch schon bei sehr kleinen Kindern eingesetzt werden kann.
EMDR ist ebenfalls besonders geeignet in der Behandlung psychosomatisch erkrankter Kinder und Jugendlicher. Viele Kinder und Jugendliche mit psychosomatischen Störungen tun sich schwer damit, die eigenen Emotionen wahrzunehmen und ausdrücken zu können. Auch fällt es ihnen schwer, körperliche Sensationen zu unterscheiden. Die Verbesserung und die Entwicklung einer positiv getönten Beziehung dem eigenen Körper gegenüber ist neben der Aufarbeitung der individuellen Lern- und Krankengeschichte unter besonderer Berücksichtigung belastender Lebensereignisse Ziel der Therapie.
Eine Fülle von Informationen über die gegenwärtige Forschung steht im Internet zur Verfügung:
www.emdr-institut.de
www.emdria.de
www.degpt.de